Die Antioxidantien-Meta-Analyse von Bjelakovic et al.*:
Prof. Dr. Hans K. Biesalski: Kein Grund zur Neubewertung!
Prof. Dr. med. Hans K. Biesalski, Institut für Biologische Chemie und Ernährungswissenschaft an der Universität Hohenheim-Stuttgart, veröffentlichte ein orientierendes Statement zu der jüngst publizierten Meta-Analyse von G. Bjelakovic et al. über die angeblich erwiesene Gefährlichkeit von Antioxidantien-Supplementierung. Die Massenmedien haben sich – ähnlich wie vor einigen Jahren z.B. bei der Vitamin-E-Meta-Analyse – lustvoll darauf gestürzt. **

Zusammenfassung
Die Meta-Analyse wertet 68 randomisierte klinische Studien aus, bei denen Antioxidantien als Monosubstanz oder in Kombination in verschiedenen Dosierungen eingesetzt wurden. Dabei wurden sowohl Studien berücksichtigt, bei denen die Antioxidantien als präventive Maßnahme bei Gesunden gegeben wurden, als auch solche, bei denen sie als Begleittherapie neben medikamentöser Behandlung gegeben wurden.

Die ausgewerteten Studien unterschieden sich grundlegend bezüglich wesentlicher Variablen wie der eingesetzten Antioxidantien, der Medikation, des Gesundheits- und Ernährungsstatus der jeweiligen Patientengruppen, des Patientenalters etc. Das einzig Gemeinsame: Es wurden ein oder mehrere Supplemente verabreicht, die Mikronährstoffe enthielten, die gemeinhin als Antioxidantien bezeichnet werden.

Im Ergebnis erbrachte die Gesamtanalyse keinen statistisch gesicherten Unterschied in der Sterblichkeit bei behandelten gegenüber unbehandelten Studienteilnehmern. Positive Effekte, wie sie in einzelnen Studien beobachtet wurden, werden dadurch nicht in Frage gestellt.

Die für eine Subgruppen-Analyse vorgenommene Unterteilung der Studien in "methodisch gute" und "methodisch weniger gute" beruht auf Kriterien, die die Autoren sich selbst zurechtgelegt haben und die nicht allgemein wissenschaftlich anerkannt sind. Diese Vorgangsweise ist in sich als "methodisch weniger gut" zu bezeichnen.

Antioxiodative Mikronährstoffe, die in Supplementen Verwendung finden, sind z. B. Beta-Carotin, die Vitamine C und E, Spurenelemente wie Selen, Zink, Mangan und Kupfer. Ihre antioxidativen Eigenschaften (im Zusammenwirken mit endogenen antioxidativen Substanzen) sind wissenschaftlich gesichert. Weniger eindeutig ist derzeit noch die wissenschaftliche Absicherung der antioxidativen Wirkung bioaktiver Verbindungen wie Flavonoide, Isoflavone oder bestimmter Pflanzenextrakte. Vitamin A hingegen ist eindeutig kein Antioxidans, weswegen jene Studien, die sich auf die Verwendung von Vitamin A beziehen, nicht in die Meta-Analyse gehört hätten.

Es gibt eine Reihe von Krankheiten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit ursächlich mit oxidativem Stress in Zusammenhang stehen. Groß angelegte epidemiologische Studien erlauben die Schlussfolgerung, dass eine ausgewogene Ernährung mit einem hohen Anteil an Antioxidantien vor solchen Krankheiten schützen kann. Darin gibt es weitgehende Übereinstimmung.

Interventionsstudien zur Wirkung von Antioxidantien in der Primärprävention wären durchaus vernünftig, wobei damit die Prävention zu einem Zeitpunkt gemeint ist, an dem weder die Krankheit noch irgendwelche anfänglichen Symptome diagnostiziert sind. So hat sich z.B. Vitamin E als wirksam in der Prävention koronarer Herzerkrankungen erwiesen, wenn gesunde Personen mit der Einnahme (als Supplement oder über eine Vitamin-E-reiche Ernährung) begonnen haben und sie über viele Jahre fortsetzten.

Sekundärprävention bezeichnet die Intervention bei bestehenden Krankheiten, deren Progression gemildert werden soll bzw. die Prävention von Folgeerkrankungen.

Von den 68 ausgewerteten Studien befassen sich 21 mehr oder weniger mit Primärprävention, 47 mit Sekundärprävention. Nur 8 von den 21 Studien zur Primärprävention hatten die Mortalität als Haupt-Endpunkt. Da die Autoren als Zweck der Meta-Analyse angeben, den Zusammenhang von Antioxidantien und Mortalität zu untersuchen, muss die Frage gestattet sein, ob es wissenschaftlich seriös ist, Studien einzubeziehen, deren Hauptfrage nicht die Untersuchung von Mortalität war.

Außerdem muss berücksichtigt werden, dass bei Patienten, die wegen schwerer Demenz, M. Parkinson oder M. Alzheimer in Spital liegen, die Untersuchung eines Zusammenhangs zwischen Antioxidantienaufnahme und Mortalität wenig sinnvoll scheint. Die ungerechtfertigte Schlussfolgerung, dass in diesen Fällen Antioxidantien die Mortalitätsrate erhöhen könnten, könnte dazu führen, dass ältere Menschen generell die Einnahme von Antioxidantien ablehnen. Das wiederum könnte das ohnedies bereits bestehende Problem der Malnutrition und in der Folge eines gestörten Immunsystems vergrößern und zur Zunahme von Infektionskrankheiten führen.

Sachlich falsch ist die Einbeziehung der ATBC- und der CARET-Studie in die Meta-Analyse, und zwar in der Kategorie der „Primärpräventionsstudien“. Beide Studien wurden nicht an gesunden Personen, sondern an schweren Rauchern mit einem höchst ungesunden Lebensstil über mehr als 20 Jahre durchgeführt. Unter den Teilnehmern der CARET-Studie waren außerdem Asbestarbeiter, bei denen die Rate an Lungenerkrankungen bekanntermaßen der von schweren Rauchern ähnelt.

Daher wären beide Studien korrekter-weise der Gruppe der Sekundärprävention zuzurechnen gewesen. Die Autoren der Meta-Analyse geben selbst an, dass gerade diese beiden Studien ihre Einschätzung maßgeblich beeinflusst haben. Daraus eine allgemein gültige Schlussfolgerung über den Einsatz antioxidativer Supplemente in der Bevölkerung zu ziehen, ist nicht gerechtfertigt.

Nach einigen kritischen statistischen Anmerkungen zur Methode dieser Meta-Analyse kommt Prof. Biesalski zu folgendem Schluss:

Das Gesamtergebnis aus allen in die Meta-Analyse aufgenommenen Studien sollte – wie es dem ursprünglichen Analyseziel entspricht – als Ergebnis der Meta-Analyse gelten. Nur aus diesem Gesamtergebnis seien daher allfällige Schlussfolgerungen abzuleiten.

Ein Haupteinwand ist jedenfalls, dass die Autoren anhand dieser 68 Studien die Mortalitätsrate untersuchen, obwohl überhaupt nur 21 von diesen 68 Studien sich damit befassen.

In vielen anderen Fällen sind es Studien mit sehr geringen Patientenzahlen (z.B. 15 – 25), bei denen ein Todesfall vorkommt, von dem nicht erwähnt wird, ob er eine Folge der Erkrankung, ein Selbstmord oder Folge eines Autounfalls ist – ein Zusammenhang mit der Antioxidantiensupplementierung sei jedenfalls nicht ersichtlich.

In einer Pressemitteilung der Informationsstelle Ernährung vom 28. Februar 2007 formuliert Prof. Biesalski abschließend:
Abwegig ist die Vermutung der Autoren, dass die so ermittelte Zunahme der Sterblichkeit an der Tatsache liegen könnte, dass es sich um synthetische Vitamine handeln könnte. Viele der eingesetzten Präparate werden aus pflanzlichen Extrakten gewonnen. Der menschliche Organismus unterscheidet weder bei der Aufnahme noch im Stoffwechsel zwischen isolierten Vitaminen in Supplementen und denen aus Lebensmitteln.
Die positive Wirkung von Antioxidantien ist generell akzeptiert und durch eine Reihe von Untersuchungen gut belegt.

FAZIT
Es besteht kein Anlass, auf der Basis des Reviews von Bjelakovic et al. Antioxidantien neu oder kritischer zu bewerten!
   
* Bjelakovic G, Nikolova D, Gluud LL, Simonetti RG, Gluud C: „Mortality in randomized trials of antioxidant supplements for primary and secondary prevention” JAMA (2007), 297(8).

** Prof. Biesalski hat das englischsprachige Statement als pdf zur Verfügung gestellt. Sie können den Text über PreventNetwork bestellen.
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