Rationelle Diagnostik
Optimale Therapie durch individuelle Diagnostik Inklusive Prävention und Good Aging

Udo Böhm, Claus Muss, Markus Pfisterer
XIV, 346 Seiten mit 130 Tab., Hippokrates Verlag, Stuttgart 2004
   
Das Besondere an diesem Buch ist einerseits der Ansatz beim Patienten in der Arztpraxis, von der Erstuntersuchung bis zur Differentialdiagnostik unter Einbeziehung nicht labormedizinischer Untersuchungsmethoden, andererseits die therapeutische Intention Präventivmedizin durch orthomolekulare Nährstoffversorgung. Das bestimmt die Auswahl der ausführlicher beschriebenen Analysen ebenso wie das Kapitel „Praktische Umsetzung“ und die Erörterung der Kostenfrage.

PreventNetwork hat einige Beispiel-Themen herausgegriffen:
   
1. Wie sieht eine aussagefähige Diagnostik als Grundlage orthomolekularmedizinischer Therapie aus, die trotzdem für den Patienten erschwinglich bleibt?

Die Orthomolekularmedizin wird bisher von den Krankenkassen nicht als Therapieform anerkannt; der wichtige Bereich gezielter Prävention bei Risikogruppen gehört grundsätzlich nicht zu den Gesundheitsleistungen von Krankenkassen; der Patient muss sie selbst zahlen.
So heißt es in Kapitel 8. Organisation:

8.1 Plädoyer für die rationelle Orthomolekulare Diagnostik (Kostenbewusstsein)

Medizinische Maßnahmen unter dem Blickwinkel von Orthomolekularmedizin und Good Aging haben zunächst präventiven Charakter und sind deshalb schon vor dem Auftreten von Krankheiten wichtig. Hier können bereits sehr gute Erfolge durch Beachtung allgemein gültiger Grundsätze von Lebensstilmedizin und evtl. Nahrungsergänzung - in Anlehnung an den täglichen Bedarf - erzielt werden.

In besonderen Fällen interessiert darüber hinaus aber auch eine individuelle Prophylaxe und Therapie der Patienten in ihren besonderen Lebenssituationen. Dabei ist es genauso wichtig wie in der übrigen Schulmedizin, durch eine angepasste Diagnostik evtl. notwendige Lebensstiländerungen und insbesondere den individuellen Bedarf an bestimmten Mikronährstoffen vor Behandlungsbeginn (!) zu klären. Sind z.B. bereits Symptome durch einen Mangel an Nutrienten (z.B. Antioxidanzien) entstanden, lassen sich diese durch gezielte Zufuhr in adäquater Dosis beseitigen. Hier gilt insbesondere, dass der Mehrbedarf durch quantitative Diagnostik vor Behandlungsbeginn abgesichert werden muss.

Eine quantitative Diagnostik in der Orthomolekularen Medizin, welche die Kriterien der Testsensitivität und Spezifität erfüllt, ist auch zur fundierten Verlaufskontrolle geeignet. Ein solches Vorgehen ermöglicht es im Einzelfall, den Behandlungsverlauf durch gezielte Dosisanpassung oder Therapiewechsel günstig zu beeinflussen. Wiederholungs-untersuchungen ermöglichen aber auch den Patienten eine Selbstkontrolle, insbesondere im Hinblick auf den Nutzen von allgemeiner Lebensstiländerung sowie Ernährungsanpassung und Nutrientensupplementierung.

Für das Arzt-Patienten-Verhältnis ergeben sich aus einer Therapieüberwachung speziell im präventiven Schwerpunkt wichtige Vorteile, die über Kompetenzsicherung, Patienten-führung und Objektivierung, nicht zuletzt auch ökonomische Aspekte (Stichwort: Selbst-zahlerleistungen) berücksichtigt. Unnötige Untersuchungen bringen keinen diagnostischen Gewinn. Sie führen letztlich zum Zweifel an der medizinischen Kompetenz des Auftraggebers. Eine Untersuchung ist ihren Preis wert, wenn sie zur Diagnosefindung und zur Optimierung von Therapiemaßnahmen beiträgt. Manchmal erlaubt übrigens schon ein Vergleich verschiedener Laboranbieter, eine kostengünstigere Laboranalytik durchzuführen.


2. Wer am Anfang seiner medizinischen Tätigkeit steht und eigene Erfahrungen erst sammeln muss, hat mit diesem Buch einen Leitfaden für die Diagnostik in der Hand, dessen Schwerpunkt zwar in der Labordiagnostik für die Orthomolekularmedizin liegt, diese aber doch in den Gesamtzusammenhang diagnostischer Methoden stellt.

Die Fragebögen im Anhang stellen sicher, dass in der Anamnese keine wesentlichen Informationen zum Lebensumfeld des Patienten übersehen werden, im Teil Labordiagnostik finden sich ausführliche Angaben zu den jeweils sinnvollen bzw. erforderlichen Analysen.

Beispiel: Osteoporose
A. Fragebogen Osteoporoserisiko-Test
B. Knochenstoffwechseldiagnostik    
  • Risikofaktoren bes. der primären Involutionsosteoporose    
  • Laborchemische Methoden für die Früherkennung (da Beckenkammbiopsie oder Osteodensitometrie und bildgebende Verfahren für die Früherkennung ungeeignet sind
  • Laborparameter für Knochenaufbau:
    - alkalische Phosphatase,
    - Knochen AP,
    - Osteocalcin,
    - PICP/Typ 1 Kollagen (Prokollagen Typ I C-terminales Propeptid)    
  • Laborparameter für Knochenabbau:
    - Hydroxyprolin, Pyridinolin-Crosslinks: Angaben zu Probengewinnung und –lagerung für Osteoporosescreening, Aussagekraft, Bedeutung der metabolischen Azidose
    - ICTP-Kollagentelopeptid
    - Kalziumausscheidung (ausführliche Darstellung der Stoffwechselzusammenhänge von Vitamin D/€€ und Parathormon/€€)          
Tipp:
Eine einfach durchzuführende Methode, um eine (fortgeschrittene) Osteoporose zu erkennen, ist übrigens die Größenmessung. Eine Größenabnahme weist stark auf Osteoporose hin.

C. Im Kapitel "Praktische Umsetzung" wird das diagnostische Vorgehen nochmals konkretisiert und in einem Diagnostik-Baum zusammengestellt.

3. Der Arzt oder Therapeut, der sich noch nicht allzu lange mit den Möglichkeiten der OM befasst oder neu damit beginnt, hat besonders mit den Kapiteln über Spezialuntersuchungen in der OM, Funktionelle Diagnostik in der OM, Radikalstress- und Antioxidanziendiagnostik eine gute Basis für die Ermittlung individueller orthomolekularmedizinischer Substitutionserfordernisse in der Hand.

Beispiel: DHEA
Nach einer kurzen Darstellung der physiologischen Funktionen werden jene Bereiche der Altersmedizin kurz umrissen, in denen DHEA/DHEAS von Bedeutung sein kann (Osteoporose, Stoffwechsel, Arteriosklerose, Gedächtnisleistung, Immunsystem, Antitumorwirkung) und Indikationen für die Supplementierung vorgestellt.

Im "Praxistipp: Dosierungsempfehlung für DHEAS" heißt es dann u.a.:
… In der Regel wird DHEA innerhalb von 2-4 Wochen auf die unteren Konzentrationswerte junger Erwachsener aufgesättigt. Diese liegen bei 3000-5000 ng/ml.

… Die individuelle Erhaltungsdosis ergibt sich durch Kontrolle der Speichelkonzentration anfangs 2-mal wöchentlich, später vierteljährlich. Die DHEA-Therapie sollte mit Antioxidanzien kombiniert werden, um die potenziell toxischen Effekte hoher DHEA-Gaben zui kompensieren. Hierzu gehören u.a. Tokopherol, Ubichinon, Grüntee-Extrakt und Ascorbinsäure.


4. Wer den komplexen biochemischen Stoffwechsel nicht mehr in allen Details präsent hat, wird an geeigneter Stelle die wesentlichen Zusammenhänge aufgeführt finden.

Beispiel: Jod
Jod als zentrales Element des Schilddrüsenstoffwechsel wird gewöhnlich seltener untersucht als die Schilddrüsenhormone. Für den Orthomolekularmediziner interessant ist besonders die tatsächliche Versorgungslage mit Jod, über die die Untersuchung der Jodausscheidung im Urin besser Auskunft gibt.
Die Autoren geben Hinweise zur Interpretation erhöhter bzw. erniedrigter Jodausscheidung, zu Analytik und Probengewinnung, die Normalwerte und eine tabellarische Übersicht über die Klassifizierung der Jodversorgung nach den WHO-Kriterien.

Praxistipp: Bei Störungen der Schilddrüsenfunktion neben einer genauen Ernährungsanamnese (auch: Algenpräparate und Nahrungsergänzungsmittel) und Anamnese iatrogener Maßnahmen (z.B. Röntgenkontrastuntersuchungen) auch an die Bestimmung von Selen, Kupfer, Vitamin A/ß-Carotin und Lithium denken.

5. Der Aufbau des Buches
Teil 1: Nichttechnische Diagnostik – hier werden Fragebögen für Anamnese und Diagnose vorgestellt und Angaben zu ihrer Auswertung gemacht. Die Fragebögen sind im Anhang des Buches enthalten.

Teil 2: Technische Diagnostik – der weitaus umfangreichste Teil des Buches; neben einigen Beispielen für geeignete Gerätediagnostik folgen die relevanten labordiagnostischen Analysen (Allgemeines Labor; Spezialuntersuchungen in der OM; Funktionelle Diagnostik in der OM; Radikalstress- und Antioxidanziendiagnostik; Hormondiagnostik; Immundiagnostik; Tumordiagnostik; Diagnostik psychischer Erkrankungen; Allergiediagnostik; Schadstoffdiagnostik; Knochenstoffwechseldiagnostik; Gefäß- und Gerinnungsdiagnostik, Säure-Basen-Haushalt). Vielen der vorgestellten Laboranalysen ist eine Kosteneinschätzung als Information beigegeben (von € = sehr günstig bis €€€€ = sehr teuer).

Teil 3: Komplementärdiagnostik – hier werden knapp und ohne Bewertung Verfahren wie Applied Kinesiology, Haarmineralanalyse oder EAV erwähnt.

Teil 4: Praktische Umsetzung – der Teil kann als Anleitung verstanden werden, welche Untersuchungen sich bei welchen Problemfeldern als besonders aussagekräftig erwiesen haben – die verwendeten Kategorien sind „Basismaßnahmen“, „Komplementärmaßnahmen“ und „Zusatzmaßnahmen für Sonderfälle“. Es geht um Oxidativen Stress, Gesundes Altern, Sport, Immunsystem, Allergien, Verdauung usw.

Teil 5: Organisation – gibt praktische Hinweise (tw. In Form übersichtlicher Tabellen) zu Präanalytik, Probengewinnung und Probenversand, stellt verschiedene analytische Methoden vor und behandelt auch die Frage der Kosten von Laboruntersuchungen und Abrechnungsfragen zwischen Arzt und Patient.

Der Anhang enthält neben den schon erwähnten Fragebogen auch Service-Adressen, Literaturhinweise und ein nicht allzu umfangreiches Stichwortregister.

Orthomolekularmediziner mit langjähriger Praxis werden in diesem Buch viel Bekanntes finden. Dennoch machen z.B. die oft eingefügten "Praxistipps" der Autoren und manche tabellarische Zusammenstellung das Buch auch für den Routinier zu einer lohnenswerten Investition.
Wer ein umfassendes Handbuch über laborchemische Analysen und Biochemie des Stoffwechsels sucht, sollte eher zur "Labormedizin in der Naturheilkunde"greifen.
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