Arteriosklerose
Molekularbiologische Grundlagen
    
Apolipoprotein B-100 (ApoB Pos. 3500, FDB)
Zur Beurteilung des Arteriosklerose-Risikos dient u.a. die Analyse einer möglichen Mutation im ApoB-Gen, da hierdurch gravierende Ungleichgewichte in der Cholesterin-Verteilung zwischen der Leber und der Peripherie entstehen.

Das Apolipoprotein B-100 ist der Hauptbestandteil in „Very Low Density Lipoproteinen“ (VLDL), „Intermediar Density Lipoproteinen“ (IDL) und LDL. Durch Interaktion von ApoB mit den LDL-Rezeptoren vermittelt ApoB-100 den Transport des LDL-Cholesterols in die Leber und in die meisten anderen Zellen des Körpers. Die Mutation an Position 3500 des ApoB-100 ersetzt Arginin durch Glutamin, was zu einer verminderten Rezeptor-Bindungskapazität und zu einer verschlechterten LDL-Clearance durch die Leber führt.

Die daraus resultierende Erkrankung ("familial defective apoB-100", FDB) ist durch einen hohen Plasma-Cholesterinspiegel und LDL-Spiegel charakterisiert. Die heterozygote FDB tritt in ca. 1 – 3 % aller an Hypercholesterinä-mie leidenden Patienten auf, in der Bevölkerung findet man die Mutation bei ca. 1:500 Personen. Da das ApoB nur jeweils einmal in einem LDL-Partikel vorkommt, sind somit bei heterozygotem Befund ca. 50% der LDL-Population des betreffenden Patienten von der schlechten Bindeeigenschaft betroffen. Dennoch bewirkt auch schon die heterozygote Mutation einen deutlichen Anstieg des Arteriosklerose-Risikos. Häufig manifestiert sich die Erkrankung schon im relativ jungen Alter.    

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Apolipoprotein B 100 (XbaI-Polymorphismus)
Die Mutation an der sogenannten XbaI-Position des Apolipoproteins B ist ein weiterer Faktor der Risikoerhöhung bezüglich Arteriosklerose.

Der Austausch der Basen Cytosin gegen Thymin an Nukleotid-Position 7673 (XbaI-Polymorphismus) ist zwar eine „stille“ Mutation, d.h. sie verändert die Aminosäure-Sequenz des ApoB-Proteins nicht. Jedoch wird sie vermutlich zusammen mit einer bisher noch unbekannten Mutation vererbt, von der man annimmt, dass sie die Protein-Struktur derart ändert, dass der Abbau der Lipoproteine - insbesondere im homozygot positiven Zustand des Gens - stark verlangsamt abläuft.

Bei vorliegendem XbaI-Polymorphismus wird die Erhöhung folgender Parameter im Blut gefunden: Gesamt-Cholesterin, Triglyzeride, LDL-Cholesterin und der ApoB-Spiegel selbst. Mit einer Präsenz von ca. 40 % in der deutschen Bevölkerung tritt dieser Polymorphismus sehr häufig auf.    

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Apolipoprotein E (ApoE)
Genetische Variationen im ApoE-Gen sind eng mit Störungen im Fettstoffwechsel wie Arteriosklerose, Dyslipidämie und Morbus Alzheimer assoziiert.

Das ApoE wird hauptsächlich in der Leber produziert, des Weiteren im Hirn, der Niere und der Nebenniere. Es vermittelt die Erkennung und damit die kontrollierte Aufnahme von cholesterin-angereicherten Chylomikronen-Remnants in die Leber sowie die Aufnahme von VLDL bzw. IDL und in geringerem Maße auch von LDL über den LDL-Rezeptor in die Leber und in extrahepa-tisches Gewebe. Weicht das ApoE von seiner Normalform ab, wird es an den Zellrezeptoren nicht mehr regulär erkannt, der Transport der Lipoproteine ins Zellinnere ist beeinträchtigt. Die Folge sind Ungleichgewichte in der Blutfett-Zusammensetzung.

Es existieren drei Ausprägungen (Isoformen) des ApoE, die Unterschiede in zwei Positionen ihrer Aminosäure-Sequenz aufweisen.
    
  • ε3 ist das als normal bezeichnete Allel und besitzt ein Cystein an Position 112, ein Arginin an Position 158.     
  • ε2 besitzt an Positionen 112 und 158 Cystein. Der ε2-Polymorphismus führt zu einer stark verminderten Affinität des Lipoproteins zu seinem LDL-Rezeptor. Im homozygoten Zustand erfolgt eine unzureichende Reinigung des Blutplasmas von Lipoprotein-Restpartikeln (Remnants) und bedingt dadurch ansteigende Triglyzerid- und Cholesterin-Werte. Im Hinblick auf Morbus Alzheimer wirkt das ε2-Allel eher protektiv.     
  • ε4 trägt an beiden Positionen Arginin. Das Nahrungscholesterin gelangt bei Vorliegen des ε4-Polymorphismus verstärkt in die Körperzellen. Die Leber registriert eine Unterversorgung mit LDL-Cholesterin und produziert ihrerseits weiteres Cholesterin. Gleichzeitig wird die Synthese der LDL-Rezeptoren über einen Feedback-Mechanismus gedrosselt. In Folge ergeben sich erhöhte Cholesterin-, LDL- und ApoB-Konzentrationen. Je nach Abweichung existiert ein erhöhtes Risiko für Alzheimer und / oder Arteriosklerose.  
Tabelle 2. Polymorphismen des Apolipoprotein E (Apo E)

ε2 / ε2 Risikoerhöhung bezüglich Arteriosklerose und Hyperlipoproteinämie Typ III, aber die Mutation wirkt eher protektiv gegenüber M. Alzheimer
ε3 / ε3 Normaler Genotyp, kein erhöhtes Risiko bezüglich M. Alzheimer und Arteriosklerose
ε4 / ε4 Stark erhöhtes Risiko für Alzheimer und Arteriosklerose, ischämischer Herzbeschwerden, zerebralen Thrombose (Schlaganfall)
ε2 / ε3 Erhöhtes Risiko für Arteriosklerose, Dyslipidämie, hämorrhagischen Schlaganfall
ε2 / ε4 Erhöhtes Risiko für Alzheimer und Atherosklerose, Dyslipidämie
ε3 / ε4   Teilweise erhöhtes Risiko für Alzheimer und Arteriosklerose.

In der mitteleuropäischen Bevölkerung tritt das ε2-Allel im Mittel zu 7,1% auf, ε3 zu 78,3% und ε4 zu 14,6%.

ApoE und M. Alzheimer
Es gibt eine große Anzahl von Hinweisen, dass das Auftreten des ε4-Allel eng mit dem frühzeitigen Ausbruch der Altersform des M. Alzheimer (late onset of Alzheimer disease) assoziiert ist. Molekularbiologisch findet man bei erhöhtem Cholesterinspiegel eine erhöhte Aktivität der β- und χ-Sekretase, die eine fehlerhafte Prozessierung des Amyloid-Vorläuferproteins APP bewirkt. Falsch verkürzte Proteine sind Hauptbestandteile der bei M. Alzheimer gefundenen zerebralen Plaques.

Des weiteren bietet die ε4-Isoform (ε4-Variante) des ApoE eine deutlich schlechtere Schutzfunktion für das Mikrobubuli-stabilisierende Protein Tau, das bei Vorliegen des ε4-Genotyps stärker phosphoryliert vorkommt. Eine übermäßige Phosphorylierung führt zur Bildung neurofibrillärer Bündel aus Tau-Protein. Da ApoE im Gehirn das alleinige Trägerprotein für Membranlipide ist und die ε4-Variante weniger Cholesterin zu transportieren vermag, resultiert daraus eine Unterversorgung der Neuronen mit Membranlipiden. Als Folge sind Reparaturleistungen an Membranschäden gestört.

Insgesamt hat man die Beobachtung gemacht, dass Träger eines ε4-Allels den Ausbruch von M. Alzheimer 7 bis 9 Jahre früher erleben als ε3-Träger. Zwei ε4-Allele bewirken einen um bis zu 20 Jahre vorverlegten Krankheitsausbruch.

Je nach genetischem Befund können gezielte Maßnahmen sowohl in der Vorsorge als auch in der Therapie und der Nachsorge eingeleitet werden. Dabei spielt die Ernährung mit Omega-3-Fettsäuren sowie eine ausreichende Versorgung mit Antioxidantien wie Vitamin E, Vitamin C usw. eine entscheidende Rolle. Mitunter sind Cholesterin-senkende Maßnahmen nötig.

Die Senkung des Cholesterin-Spiegels um 1% erniedrigt die Inzidenz der koronaren Herzerkran-kung um 2%! Da eine frühe Prävention die Lebensqualität extrem verbessern kann, sollte bei entsprechender Familienanamnese auch an eine familiäre Überprüfung von genetischen Risiko-Faktoren gedacht werden! Auf mögliche therapeutische Maßnahmen geht der Laborbefund ein.
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Tabelle 3. Überblick über die Apolipoprotein-Polymorphismen


Polymorphismus Genotyp (Häufigkeit in der europäischen Bevölkerung) Phänotyp
ApoB-100 (Pos. 3500) homozygot negativ ca. 99,8% normal

heterozygot ca. 0,2% schwere Hypercholesterinämie oft schon in jungen Jahren (FDB = Familiar Defective Apolipoprotein B)

homozygot positiv äußerst selten
ApoB-100 (XbaI-Mutation) homozygot negativ ca. 60%* normal

heterozygot ca. 35%* Leicht erhöhter Gesamt- und LDL-Cholesterinspiegel, Triglyzeridspiegel und ApoB-Spiegel, leicht verstärkte Suszeptibilität bezüglich Arteriosklerose, insbesondere wenn weitere Risikofaktoren vorliegen
  homozygot positiv ca. 5%*
deutlich erhöhte Suszeptibilität bezüglich Arteriosklerose
ApoE
ε2/ ε2 ca. 1,2%*
erhöhtes Risiko bezüglich Typ III-Hyperlipidämie, ε2 wirkt protektiv gegenüber M. Alzheimer
  ε2/ ε3 ca. 11,5%* 
erhöhter Cholesterin- und Triglyzeridspiegel, protektiv gegenüber M. Alzheimer
  ε3/ ε3 ca. 61,2%*
 normal
   ε3/ ε4 ca. 23,3%*
Plasmacholesterinspiegel leicht erhöht, Risikoerhöhung bezüglich M. Alzheimer
  ε4/ ε4 ca. 1,2%*
deutlicher Anstieg des Plasmacholesterinspiegels, erhöhtes Risiko bezüglich M. Alzheimer

* Die Statistik wurde aus Patientendaten erhoben. Die Prozentzahlen liegen daher leicht höher als im allgemeinen Bevölkerungsdurchschnitt
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