20. Feb 2014
Mit diesem Thema beschäftigt sich ein Artikel von George J.
Brewer, MD, und John D. MacArthur in der Oktoberausgabe 2013 des Townsend
Letter.
Zu viel Kupfer, zu
wenig Zink und die kognitive Verschlechterung bei Alzheimer-Patienten
Mit diesem Thema beschäftigt sich ein Artikel von George J.
Brewer, MD, und John D. MacArthur in der Oktoberausgabe 2013 des Townsend
Letter. Brewer ist emeritierter Professor für Humangenetik und Innere Medizin
der University of Michigan Medical School und seit 2011 Senior Vice-President
der Forschungsabteilung von SyntheticBiologicals. John D. MacArthur publiziert
über neurowissenschaftliche Themen.
PreventNetwork bringt eine Zusammenfassung des Textes.
* * *
Beta-Amyloid ist so eng mit der Alzheimer-Krankheit
verbunden, dass viele Wissenschaftler lange Zeit annahmen, hier sei die
Hauptursache in der Pathogenese von M. Alzheimer zu finden. Es ist bekannt,
dass im Gehirn von Alzheimerpatienten hohe oxidative Schäden bestehen, und die
Amyloid-Plaques sind eine wesentliche Quelle von Oxidantien, vor allem, wenn
sie an Kupfer oder Eisen binden.
Zwei interessante
Beobachtungen zur Häufigkeit von M. Alzheimer
1. Vor dem 20. Jh. war die Krankheit praktisch unbekannt.
Den ersten Fall publizierte 1907 Alois Alzheimer und gab damit der Krankheit
ihren Namen. Die Recherche in wissenschaftlichen Aufzeichnungen und
Autopsieberichten des 19. Jh. geben keinerlei Hinweise auf das Vorliegen von M.
Alzheimer vor dem 20. Jh. Es wird vielfach als Argument angeführt, dass die
Lebenserwartung signifikant gestiegen sei – Alzheimer sei nun einmal eine
Alterskrankheit. Gegen dieses Argument spricht, dass z.B. 1911 in Frankreich
die Hälfte der Bevölkerung etwa 60 Jahre alt wurde – das ist jenes Alter, in
dem die Alzheimer-Prävalenz beginnt.
2. Die zweite Beobachtung: M. Alzheimer ist eine Krankheit
in entwickelten Ländern (Ausnahme Japan). In den sog. Entwicklungsländern kommt
sie kaum vor.
Daraus legt sich fast zwingend folgender Schluss nahe:
Etwas, was in entwickelten Ländern zu Anfang des 20. Jh. in die Umwelt
„eingeführt“ wurde, hat zu dieser „Epidemie“ geführt.
Anorganisches Kupfer
Waldman und Lamb (1) sehen diesen signifikanten Wechsel im
Fleischverzehr. Die Autoren stimmen mit Grant (2) überein, dass fettreiche
Ernährung ein ursächlicher Faktor für das Entstehen von Alzheimer ist. Sie
stehe natürlich in Zusammenhang mit erhöhtem Fleischkonsum und anderen
westlichen Ernährungsfehlern. (In den sechziger Jahren des vergangenen
Jahrhunderts lag der Fleischkonsum in industrialisierten Ländern im
Durchschnitt sechsmal höher als in Entwicklungsländern, derzeit immer noch
viermal so hoch). Brewer hat aus seiner langjährigen Erfahrung mit Alzheimerpatienten
eine andere mögliche Ursache ausgemacht: anorganisches Kupfer. Kupfer in
Nahrungsmitteln ist organisches Kupfer; für den Umgang hiermit ist der Körper
ausgestattet. Anders ist es mit anorganischem Kupfer; es wird nur teilweise in
der Leber entgiftet, ein anderer Teil geht „an der Leber vorbei“ ins Blut und
wirkt toxisch. Für diese Theorie von Brewer spricht, dass das epidemische
Auftreten von M. Alzheimer nach 1950 begonnen hat, als man in den
Industrieländern in erheblichem Ausmaß Kupferrohre im Wasserleitungssystem zu
benützen begann. Auslöser für diese Annahme der Autoren war eine Untersuchung
von Sparks und Schreurs von 2003 (3). Die wies nach, dass die Zugabe von 0,12
ppm anorganischem Kupfer zum destillierten Trinkwasser in einem Kaninchenmodell
die Entwicklung Alzheimer-typischer Gehirnveränderungen und Beeinträchtigung
der kognitiven Fähigkeiten begünstigte. 2006 wiederholten sie den Versuch mit
Beaglen und Mäusen (4) – auch hier war die Folge ein signifikanter Anstieg von
Amyloid-Beta-Plaques. 2007 wiederholten Deane und Zlokovic (5) das Experiment
und verglichen Mäuse, die destilliertes Wasser bekamen, mit solchen, die
destilliertes Wasser mit 0,12 ppm Kupfer bekamen. Die „Kupfer-Mäuse“
entwickelten um 1/3 mehr Amyloid-Beta in ihrem Gehirn und hatten etwa doppelt
so hohe Kupferspiegel in jenen Zellen, die die Blutgefäße im Gehirn auskleiden.
Sie hatten außerdem um ein Drittel weniger LRP-Moleküle (Low Density Lipoprotein Receptor-related
Protein) in diesen Blutgefäßen. LRP
ist aber für den Abtransport von Beta-Amyloid aus dem Gehirn verantwortlich. In
Versuchen an menschlichen Zellen konnten Deane und Zlokovic zeigen, dass Kupfer
diese Aktivität von LRP total blockieren kann.
MC Morris (6) untersuchte mit Kollegen die Auswirkungen von
Nahrungsergänzungen mit anorganischem Kupfer bei einer an gesättigten und
Trans-Fetten reichen Ernährung. Sie stellten fest, dass das Fünftel mit der
höchsten Kupferaufnahme im Vergleich zu den anderen einen etwa sechsmal
rascheren kognitiven Abbau aufwies.
Brewer, der auf eine lange Erfahrung mit Zink als
Therapeutikum bei M. Wilson verfügt, konnte in einem Absorptionstest zeigen,
dass anorganisches Kupfer zu mindestens 15 % an der Leber vorbei zum Pool an
freiem Kupfer im Blut addiert wird (7). Freies Kupfer ist jener Teil des
Blutkupferspiegels, der nicht kovalent an Ceruloplasmin gebunden ist.
Eine Studie von 2005 (8) hatte aufgezeigt, dass freies
Kupfer im Blut bei Alzheimerpatienten signifikant erhöht ist im Vergleich zu
altersmäßig gleichen gesunden Kontrollpersonen. Die Studie ergab auch, dass
eine negative Korrelation besteht zwischen freiem Kupfer und den kognitiven
Fähigkeiten von Alzheimerpatienten.
Im Bemühen, die Kupferaufnahme seiner M. Wilson-Patienten zu
ermitteln, untersuchte Brewer den Kupfergehalt im Trinkwasser von 280
nordamerikanischen Haushalten (9). Nur ein Drittel der Proben zeigte einen
Kupfergehalt von 0,01 ppm, der als absolut sicher gilt. Ein Drittel lag bei 0,1
ppm, was sich in Tiermodellen als toxisch erwiesen hatte. Das restliche Drittel
lag dazwischen.
Zu der schon oben erwähnten Ausnahme Japan (das deutlich
niedrigere M.Alzheimer-Raten hat) berichten die Autoren, dass dort die
Verwendung von Kupferrohren für Wasserleitungen bereits vor längerer Zeit
verboten wurde. In den Entwicklungsländern werden Kupferrohre wegen der hohen
Kosten praktisch nicht verwendet.
Nach einer Diskussion der Rolle von Kupfer und Eisen im
Rahmen der Evolution legen die Autoren dar, dass auch andere Risikofaktoren für
M. Alzheimer mit der Toxizität des anorganischen Kupfers in Verbindung stehen
können. Dies hängt mit der oxidativen Wirkung des Kupfers zusammen.
Gegenwärtig hält man eine genetische Veranlagung für die
wesentlichste Ursache eines erhöhten Risikos, an M. Alzheimer zu erkranken. Es
geht um das ApoE-Gen. 1999 konnte nachgewiesen werden, dass das menschliche
ApoE den Amyloid-Beta-Metabolismus angreift. Die Autoren beschreiben dann
diesen Zusammenhang.
Zinkmangel bei
Alzheimer
Schließlich befassen sie sich mit dem bei M. Alzheimer
häufig feststellbaren Zinkmangel. Generell entsteht bei Personen über 60 Jahren
leicht ein Zink-Defizit. Nicht untersucht war, ob dies bei Alzheimerpatienten
auch der Fall ist – eine interessante Frage, da Zink im Gehirn wichtige
Schutzfunktionen ausübt. In einer kleinen Untersuchung mit 29 Patienten und 29
altersgematchten Personen ohne Alzheimer (10). Nachdem für einen Monat vor
Beginn der Untersuchung die Einnahme aller Supplemente abgebrochen worden war,
zeigte die Kontrollgruppe Zinkspiegel im Serum von 83 mg/l (junge gesunde
Menschen haben durchschnittlich 100 mg/l). In der Patientengruppe lag der Wert
bei unter 76 mg/l.
Manche Neuronen enthalten normalerweise viel Zink. Wenn der
vorliegende Zinkmangel auch im Gehirn von Alzheimerpatienten vorliegt, könnte
er also ein Grund für das Absterben von Neuronen bei M. Alzheimer sein. Im
Gehirn hat Zink außerdem die Aufgabe, Calcineurin zu hemmen, das bei Alzheimerpatienten
in erhöhtem Maß vorhanden ist.
2010 veröffentlichten P. A. Adlard und Kollegen eine Studie
am Mausmodell, die eine klare Verbindung zwischen neuronalem Zinkmangel und
Verlust kognitiver Fähigkeiten aufzeigt 11).
Brewer führte eine kontrollierte
Studie an 60 Alzheimerpatienten durch, von denen die eine Hälfte eine
Zinktherapie erhielt (9). Die Endpunkte – signifikanter Anstieg des Zinks im
Serum, signifikante Senkung des freien Kupferpools im Blut und verbesserte
kognitive Ergebnisse im Vergleich zur Kontrollgruppe – wurden insgesamt
erreicht. Die kognitiven Funktionen wurden durch ADAS-cog, MMSE und CDR-SOB (Clinical
Dementia Rating Scale Sum of Boxes) überprüft. Interessant in Bezug auf die
kognitiven Fähigkeiten sind vor allem die Patienten über 70 Jahre. Während hier
nämlich in der Kontrollgruppe eine rasche kognitive Verschlechterung eintrat,
war dies bei der Zinkgruppe über 70 nicht der Fall. Bei diesen Patienten war
die Verbesserung der Testscores signifikant. Das lässt darauf schließen, dass
Zink tatsächlich die Kognition älterer Patienten stabilisieren kann.
Zwar ist bisher der biologische
Mechanismus dieses Ergebnisses noch nicht geklärt, ob die Behebung des
Zinkdefizits in den Neuronen oder die Senkung des potentiell toxischen freien
Kupferpools im Blut oder beides dafür verantwortlich ist. Trotzdem ergeben sich
aus der Sicht der Autoren wichtige Schlussfolgerungen:
Die am Anfang des Artikels
aufgestellte Hypothese zum epidemischen Anwachsen von Alzheimererkrankungen in
den Industrienationen (überhöhte Aufnahme von anorganischem Kupfer aus
verschiedenen Quellen) wird vermutlich in den nächsten Jahren nicht überprüft
werden („because there is no profit motive for a drug company to do so.“) Aber
es sei wie beim Rauchen: Jene, die beim Auftauchen der ersten Meldungen über
Zusammenhänge mit Lungenkrebs und Herzinfarkten, aufhörten zu rauchen, hatten
großen Nutzen davon, als sich später herausstellte, dass diese Zusammenhänge
tatsächlich kausal sind.
Faktenbasiert sind jedoch die Darstellungen über Zinkmangel bei M. Alzheimer
und die positive Wirkung von Zink als Bremse des Kognitionsabbaus.
Folgende Empfehlungen geben die Autoren:
1. Kupferhaltige Supplemente zu
vermeiden. *
2. Personen mit erhöhtem
Alzheimer-Risiko müssen selbst entscheiden, ob sie Zink supplementieren wollen.
Wenn, sollten sie dies bei höheren Dosierungen jedenfalls unter ärztlicher
Kontrolle tun, da höhere Zinkgaben zu Kupferdefizienz führen können.
Zinksupplemente sind außerdem immer zwischen den Mahlzeiten zu nehmen, weil
Zink sonst an Nahrungsbestandteile bindet und es dann die Kupferaufnahme nicht
mehr blockieren kann. Auch die Bestimmung des freien Kupferpools im Blut kann
sinnvoll sein.
3. Positiv wirkt sich eine
Ernährungsmaßnahme aus: den Fleischkonsum reduzieren. Kupfer und Eisen werden
aus Fleisch besser aufgenommen als auch jedem anderen Nahrungsmittel.
4. Evt. das Leitungswasser auf den
Kupfergehalt überprüfen – er sollte nicht höher als 0,05 ppm (0,05 mg/l)
liegen. Bei höheren Werten kann das Trinkwasser gefiltert werden (höchste
Effizienz haben laut Angaben der Autoren Umkehr-Osmose-Systeme.
Günstiger sei es jedenfalls,
Wasser zum Trinken bzw. Kochen aus der kalten Leitung zu nehmen, da so weniger Kupfer
aus den Rohrleitungen ins Wasser gelangt. Nach längerem Stehen in der Leitung
(besonders bei weichem Wasser) sollte jedenfalls das Wasser längere Zeit
ablaufen, bevor man davon etwas verwendet.
Referenzen
(1) Waldman
M, Lamb M. Dying for a Hamburger: Modern Meat Processing and the Epidemic of Alzheimer's
Disease. 1st US
ed. New York: Thomas Dune Books/St. Martin's Press; 2005.
(2) Grant WB. Dietary links to Alzheimer's
disease. Alzheimer's Disease Review. 1997;2:42–55.
(3) Sparks DL, Schreurs BG. Trace amounts of
copper in water induce beta-amyloid plaques and learning deficits in a rabbit
model of Alzheimer's disease. Proc Natl Acad Sci U S A. Sep 16 2003;100(19):11065–11069.
(4) Sparks
DL, Friedland R, Petanceska S, et al. Trace copper levels in the drinking
water, but not zinc or aluminum, influence CNS Alzheimer-like pathology. J Nutr
Health Aging. 2006;10(4):247–254.
(5) Deane
R, Zlokovic B, et al. A novel role for copper: Disruption of LRP-dependent
brain Abeta clearance. Paper presented at: Annual Meeting of the Society for
Neuroscience; Nov 3–7, 2007; San Diego, CA; see also Singh I, Sagare AP, Coma
M, et al. Low levels of copper disrupt brain amyloid-ß homeostasis by altering
its production and clearance. PNAS. August 19, 2013; doi:10.1073/pnas.1302212110.
(6) Morris
MC, Evans DA, Tangney CC, et al. Dietary copper and high saturated and trans
fat intakes associated with cognitive decline. Arch Neurol. Aug 2006;63(8):1085–1088.
(7) Hill
GM, Brewer GJ, Juni JE, Prasad AS, Dick RD. Treatment of Wilson's disease with
zinc. II. Validation of oral 64copper with copper balance. Am J Med
Sci. Dec
1986;292(6):344–349.
(8) Squitti R,
Pasqualetti P, Dal Forno G, et al. Excess of serum copper not related to ceruloplasmin in Alzheimer
disease. Neurology. Mar
22 2005;64(6):1040–1046.
(9) Brewer GJ. Copper excess, zinc deficiency,
and cognition loss in Alzheimer's disease. Biofactors. Mar–Apr 2012;38(2):107–113.
(10) Brewer
GJ, Newsome DA. Toxic Copper: The Newly Discovered Culprit in
Alzheimer's Disease and Dementia. Ann Arbor, MI: Raisin Publishing LLC; 2010.
(11) Adlard
PA, Parncutt JM, Finkelstein DI, Bush AI. Cognitive loss in zinc transporter-3
knock-out mice: a phenocopy for the synaptic and memory deficits of Alzheimer's
disease? J Neurosci. Feb 3 2010;30(5):1631–1636.
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* Hinweis von PreventNetwork: Ein geeignetes
Multivitamin/Mineral ist z.B. Basic Nutrients III von Thorne Research, das
weder Kupfer noch Eisen enthält.