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Klinische Bedeutung von orthomolekularen Substanzen
 Hyaluronsäure
therapeutische Schlüsselwörter: Hyaluronsäure

Medizinische und ökonomische Betrachtung: Bringt die intraartikuläre Hyaluronsäure etwas?
Von R. Dorotka(1), P. Vavken(2)

(Mit freundlicher Genehmigung von Universimed Cross Media Content, Wien – der Artikel wurde am 17. November 2009 in der Website von Universimed, Network Orthopädie online gestellt, Artikelnummer ort090520)
www.universimed.eu

Viele Therapien, die bei Arthrosen zum Einsatz kommen, sind wissenschaftlich nicht unumstritten. Aber keine wurde zuletzt so intensiv umkämpft wie die intraartikuläre Hyaluronsäure. Was bringt sie aber wirklich – medizinisch und wirtschaftlich?

Hintergrund

Hyaluronsäure (HA) ist ein Bestandteil des Knorpels. Für Injektionszwecke wird sie entweder aus Hahnenkämmen gewonnen oder gentechnisch hergestellt. Hyaluronsäure-hältige Spritzen werden üblicherweise in Kuren im Wochenabstand drei- bis fünfmal verabreicht. Ihre angenommenen Wirkungen beruhen auf der Reduktion der Aktivität von Entzündungszellen, Steigerung der Matrixsynthese von Chondrozyten und Anregung von Synovialzellen zur Produktion von endogener HA mit Erhöhung der viskösen Eigenschaften, außerdem der direkten Verbesserung der Gleiteigenschaften durch die hohe Viskosität der Produkte. HA-Produkte unterscheiden sich auch hinsichtlich des Molekulargewichts und der Viskosität der verabreichten Flüssigkeit. Während bei Produkten mit niedrigem Molekulargewicht 75% der Substanz die Synovialmembran durchdringen und die Hauptwirkung vermutlich auf zellulärer Ebene liegt, ist bei höhermolekularen Produkten die Viskosupplementation zum größten Anteil für den therapeutischen Effekt verantwortlich. Diese Tatsache hat in Österreich dazu geführt, dass hochmolekulare Produkte wegen ihrer angenommenen hauptsächlich mechanischen Wirkung als Medizinprodukte in den Markt eingeführt wurden, niedrigmolekulare Substanzen aufgrund ihrer Wirkung auf zellulärer Ebene als Arzneimittel.

Klinische Wirksamkeit

HA-Produkte waren hinsichtlich ihrer klinischen Wirkung immer umstritten. Im Jahre 2004 wurde eine Metaanalyse veröffentlicht, die den klinischen Nutzen der intraartikulären HA nachwies (Wang 2004). Bereits im Folgejahr wurde von einer österreichischen Gruppe ebenfalls eine Metaanalyse vorgestellt, die einen reinen Placeboeffekt der HA aufzeigte (Arrich 2005). Diese Studie, die teilweise auch vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger mitfinanziert wurde und bei der die Hälfte der Autoren auch in einem Beschäftigungsverhältnis zu diesem standen, hatte das Ende der Finanzierung dieser Therapiekuren durch die Krankenkasse zur Folge. Sowohl Ärzte als auch Patienten waren danach stark verunsichert, und die HA wurde als nicht wirksam abgetan. Obwohl die Studie von Arrich doppelt so viele Patienten einschloss wie die Studie aus dem Jahr 2004, wurde den Autoren doch vorgeworfen, im Sinne des „Auftraggebers“ gearbeitet zu haben. Andererseits war bei einigen von der Industrie finanzierten Studien, die über eine positive Wirkung berichteten, der Anschein nicht von der Hand zu weisen, dass es sich um geschönte Ergebnisse handelte.

Derartig konträre Ergebnisse von zwei annähernd zeitgleichen Metaanalysen bedürfen einer näheren Betrachtung. In solchen Fällen liegt natürlich immer der Verdacht nahe, dass in den systematischen Reviews bewusst Studien nicht miteinbezogen werden, um das Ergebnis in eine Richtung lenken zu können. In die Wang-Metaanalyse wurden 20 Studien mit insgesamt 1641 Patienten eingeschlossen und, wie schon erwähnt, in die Arrich-Metaanalyse wesentlich mehr Patienten, nämlich 3222 aus 22 Studien. Jene Studien, die beide für ihre Berechnung verwendeten, kann man in Folge unbeachtet lassen.

Wenn man nun die übrigen Studien, die entweder von dem einen oder dem anderen zur Kalkulation herangezogen wurden, hinsichtlich Qualität und Ergebnis (pro oder kontra Hyaluronsäuretherapie) betrachtet, kann man eigentlich kein gröberes Ungleichgewicht feststellen. Eine Verfälschung des Ergebnisses durch bewusste Verwendung tendenzieller Studien kann beiden Autoren nicht vorgeworfen werden. Warum aber trotzdem dieser Unterschied? Die Antwort liegt mehr in der statistischen Methodik begründet. Beide Studien bedienten sich unterschiedlicher Analysemethoden und, am auffälligsten, Arrich et al unterteilten die Hyaluronsäureprodukte in unterschiedliche Molekulargewichtsgruppen und bekamen damit ein Problem mit der Stichprobengröße. Eine Unterteilung, die in anderen Studien nicht erfolgte, da bisher kein deutlicher mathematischer Unterschied zwischen Molekulargruppen gefunden werden konnte.

Im Jahr 2006 wurde dann als bisher unabhängigste Stellungnahme eine 76 Studien umfassende Metaanalyse der Cochrane-Datenbank vorgestellt. Dabei wurde eine Wirksamkeit der HA-Therapie gegenüber Placebo in Hinsicht auf Schmerzreduktion, funktionelle und subjektive Verbesserung festgestellt. Im Vergleich zu Kortisoninjektionen war die Wirkung der HA ähnlich, mit einem deutlich sichereren Nebenwirkungsprofil. Außerdem hielt der Crossover-Effekt durchschnittlich bis 3 Monate nach Therapieende an. Hierzu ist festzustellen, dass diese Arbeit bisher am aussagekräftigsten ist, da Cochrane-Metaanalysen objektivere Aussagen als industriege-sponserte oder andere Metaanalysen gewährleisten (Jorgensen, BMJ 2006).

Wirtschaftlichkeit der Hyaluronsäuretherapie

Dazu wurde von uns eine weitere (bisher unveröffentlichte) systematische Literaturübersicht zum Thema Hyaluronsäure in der Arthrosetherapie durchgeführt. Daten zu Effektivität, Nutzwert und Kosten wurden aus relevanten Studien abstrahiert. Kosten in Fremdwährungen wurden in Euro umgewandelt und von Kosten im österreichischen Gesundheitssystem angepasst.

In der Bestimmung der Effizienz sind vor allem drei Methoden üblich: die Kosten-Effektivitäts-Analyse (cost-effectiveness analysis), die Kosten-Nutzwert-Analyse (cost-utility analysis) und die Kosten-Nutzen-Analyse (cost-benefit analysis). Aus ökonomischen Modellen lässt sich die inkrementelle Kosten-Effektivitäts- Ratio (ICER, incremental cost-effectiveness ratio) ableiten, wobei hier Kosten-Effektivität als generischer Begriff zu verstehen ist. Kurz gesagt zeigt die ICER, wie viel zusätzlicher Therapieerfolg für einen Euro zusätzlicher Investition zu erwarten ist. Mittels der ICER lässt sich eine Rangliste (league table) gestalten, um die studierte Therapie im Vergleich mit anderen, akzeptierten Therapien zu lokalisieren. Studien haben gezeigt, dass eine Gesellschaft bereit ist, eine ICER mit Obergrenze von € 45.000 zu finanzieren.

Eine systematische Literatursuche zur Hyaluronsäuretherapie in der Arthrosebehandlung zeigt vor allem zu G-F 20 relevante Daten, daher konzentrierten wir unser Interesse auf dieses Beispiel. 5 Metaanalysen zum Thema Hyaluronsäure und 24 randomisierte, kontrollierte Studien zum Thema G-F 20 wurden ausfindig gemacht. Während mehrere publizierte Studien als Kosten-Nutzen-Analysen tituliert wurden, konnte unsere Suche nur eine Studie ausfindig machen, die den Kriterien einer ökonomischen Evaluation entspricht. Daten zu Effektivität, Nutzwert und Kosten wurden aus diesen Studien extrahiert. Dadurch wurde eine Kostendifferenz zwischen Standardbehandlung plus G-F 20 und Standardbehandlung allein von € 307,05 bestimmt. Der Unterschied in der Effektivität der Behandlung wurde bei Torrance mit 28,34% (90% KI 38,2 bis 18,5%) Patienten mit Besserung angegeben, was sich mit den Werten der anderen Studien deckt. Der Gewinn an qualitätsadjus-tierten Lebensjahren lässt sich mit 0,071 (90% KI 0,025 bis 0,117) ableiten. Auf diesen Daten basierend ergeben sich eine Kosten-Effektivität von € 1083,45 pro Patient mit Besserung, und ein Kosten-Nutzwert von € 4324,60 pro qualitätsadjustiertem Lebensjahr. Um die Robustheit dieser Werte zu testen, wurden Sensitivitätsanalysen im Rahmen der 90%- Konfidenzintervalle der unabhängigen Variablen Effektivität und Gewinn an qualitätsadjustierten Lebensjahren bzw. für verschiedene Kosten durchgeführt. Diese Analysen zeigten eine Kosten-Nutzwert-Ratio zwischen € 854,70 und € 40.000. Wie bereits erwähnt ist bekannt, dass eine inkrementelle Kosten-Effektivitäts-Ratio (ICER) von maximal € 45.000 von einer Gesellschaft akzeptiert wird, was G-F 20 selbst im Worst-case-Szenario deckt. Aus internationalen Berechnungen für unterschiedliche Therapien geht hervor, dass sich die hier berechneten Kosten für eine Hyaluronsäuretherapie kaum von den Kosten anderer, allgemein akzeptierter Therapien unterscheiden.

Diskussion

Unser Modell weist natürlich auch potenzielle Schwachpunkte auf. Es beschreibt lediglich die Behandlung der Gonarthrose von Patienten in der 7. Dekade mit G-F 20 und sollte nur als Trend außerhalb dieses Rahmens betrachtet werden, obwohl Modawal et al keine Hinweise auf Unterschiede in der Wirkung von G-F 20 und Hyalgan® feststellen konnten. Kos-tenmodelle sind außerdem schwer zu generalisieren und stark von Marktströmen abhängig. Kosten wurden nach dem Konsumentenpreisindex, einem stabilen Parameter, umgerechnet, die Umrechnung hätte aber statt nach Kaufkraft auch nach Bruttoinlandsprodukt oder Entlohnungswerten erfolgen können.

Zusammenfassend zeigt sich die Therapie mit Hyaluronsäure bei Gonarthrose sowohl klinisch effektiv als auch äquivalent im Kosten-Nutzwert im Vergleich zu akzeptierten Standardtherapien in der Orthopädie, eine Tatsache, die in der aktuellen Situation in Österreich wenig erkannt wird. Eine Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen, zumindest in ausgewählten Fällen, wäre gerechtfertigt.


1) Orthopädie-Zentrum Innere Stadt, 1010 Wien Dominikanerbastei 3
2) Department of Orthopedic Surgery, Children’s Hospital Boston, Harvard Medical School, Boston, USA
Literatur bei den Verfassern

Korrespondierender Autor: Univ.-Doz. Dr. Ronald Dorotka, Orthopädie-Zentrum Innere Stadt, Gruppenpraxis Fachärzte für Orthopädie OG, Dominikanerbastei 3, 1010 Wien, E-Mail: r.dorotka@ortho-zentrum.at

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