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Antioxidantien (3)

Der "om NewsLetter" (www.burgerstein.ch) veröffentlichte in der
Ausgabe 4 /03.11  folgenden Artikel:


Neuere Studien rehabilitieren Antioxidantien  

Die im Jahr 2007 publizierte Meta-Analyse von Bjelakovic (1) gehört zu den am meisten beachteten Publikationen, die zeigen, dass die Einnahme von antioxidativ wirksamen Supplementen (insbesondere Beta-Carotin, Vitamin A und Vitamin E) zu einer erhöhten Mortalität führen sollen. Nun kommt eine vor kurzem veröffentlichte, ausführliche Studie einer Arbeitsgruppe um Prof. Biesalski von der Universität Stuttgart-Hohenheim (2) zu anderen Ergebnissen.  

Im Jahr 1992 hielten zahlreiche renommierte Wissenschaftler aus der ganzen Welt mit der sogenannten Deklaration von Saas-Fee fest, dass 

  • antioxidativ wirksame Mikronährstoffe eine erhebliche Bedeutung in der Prävention einer Reihe von Krankheiten (Herz-Kreislauf- Erkrankungen, cerebrovaskuläre Störungen, verschiedene Krebsformen usw.) besitzen. 
  • die optimale Versorgung mit Antioxidantien einen wichtigen Beitrag zum Schutz vor freien Radikalen leistet. 
  • für die Anwendungssicherheit von antioxidativen Mikronährstoffen – auch bei höheren Dosierungen – unumstößliche Erkenntnisse vorliegen. 
Einige Jahre später erhielt die Deklaration von Saas-Fee erste Dämpfer. Die CARET-Studie (3) sowie die ATBC-Studie (4) kamen zum Ergebnis, dass Beta-Carotin und Vitamin E-haltige Mikronährstoff-Präparate allenfalls das Risiko für gewisse Krebsformen bei Rauchern (insbesondere Lungenkrebs) fördern könnten. 

In jüngster Zeit wurde insbesondere die Übersichtsarbeit von Bjelakovic et al. (1) immer wieder zitiert, wenn es darum ging zu zeigen, dass Mikronährstoff-Präparate mit Antioxidantien das Mortalitätsrisiko signifikant erhöhen. Diese Meta-Analyse überprüfte insgesamt 68 randomisierte Studien mit über 200.000 Patienten.  

Nun hat Biesalski (2) die Arbeit von Bjelakovic nochmals einer sorgfältigen Überprüfung unterzogen. Dabei untersuchte Biesalski die Meta-Analyse auf die in den einzelnen Studien effektiv untersuchten Endpunkte. Zudem wurden die Studien nach Interventionsart (Primärprävention, Sekundär-prävention, therapeutische Intervention) und nach deren Ergebnis (positiv, negativ, no effect) unterteilt. 

Dabei wurden an der Untersuchung von Bjelakovic zahlreiche Punkte kritisiert: 
  • die Autoren haben aus insgesamt 815 durchgesehenen Studien schließlich nur 68 Studien für die Meta-Analyse ausgewählt. 
  • 21 Studien – darunter Studien aus den renommierten Fachzeitschriften Lancet und J. National Cancer Institute – wurden nicht berücksichtigt. Diese zeigen eine 9%ige Reduktion der Mortalität.
  • es wurden 405 Interventionsstudien ausgeschlossen, in welchen keine Todesfälle auftraten.
  • die Erhöhung der krankheitsspezifischen Mortalität oder der Gesamtmortalität sind nie Endpunkte einer Interventionsstudie.
  • es wurde nicht zwischen dem Einsatz von natürlichem und synthetischem Vitamin E und Beta-Carotin (bzw. Carotinoiden) unterschieden.
  • die in den Studien eingesetzten täglichen Dosierungen umfassen einen äußerst weiten Bereich (z.B. Vitamin A von 1333 I.E. – 200’000 I.E./d).
  • Studiendauer variiert von 28 Tagen – 12 Jahren (hat man tatsächlich erwartet, dass die Einnahme von Antioxidantien bereits nach 4 Wochen zu Todesfällen führt?). • wie wurde die Compliance während 12 Jahren überprüft?
  • unkritische Beurteilung der Todesfälle (z.B. wurden unfallbedingte Todesfälle teilweise nicht ausgeschlossen).
  • keine Beurteilung der unerwünschten Nebenwirkungen der parallel eingenommenen Medikamente.
  • in zahlreichen Antioxidantien-Studien wurde der Status bezüglich oxidativem Stress nicht untersucht.
Biesalski konnte zeigen, dass der Nutzen einer Supplementierung mit Antioxidantien vor allem in Populationen mit einem Risiko für Mangelernährung und Mikronährstoff-Defiziten groß ist, währendem eine Gabe von Antioxidantien in einen gesättigten, ausreichend versorgten Stoffwechsel keinen zusätzlichen Nutzen zu ergeben scheint.

Auch weitere neuere Studien zeigen durchaus positive Wirkungen von Interventionen mit Antioxidantien. So kann ein gezielter, medikationsorientierter Einsatz von Antioxidantien zur Reduktion bekannter unerwünschter Nebenwirkungen gewisser Zytostatika beitragen. Weiter ergab eine adjuvante Gabe von Vitamin E unter cis-Platin-Behandlung in einer randomisierten, placebo-kontrollierten Studie nur in 5,9% der Fälle neurotoxische Nebenwirkungen, während in der Placebogruppe 41,7% über neurotoxische Erscheinungen berichteten (5). Diese Studie bestätigt die bereits früher in Übersichtsarbeiten gemachten Beobachtungen, dass eine adjuvante, gezielte Supplementierung mit gewissen Antioxidantien sinnvoll sein kann und die Verträglichkeit und Wirkung der Chemotherapie optimiert (6). 

Auch eine im Nachgang zur großangelegten SU.VI.MAX-Studie (Frankreich, 12’741 Erwachsene, primärpräventiv, placebokontrolliert, doppelblind, Kontrolle der Blutspiegel) gemachte 5 Jahre dauernde Follow-up-Untersuchung bestätigte, dass die langfristige Gabe eines Antioxidantien-Komplexes in nutritiven Dosierungen (Vitamin C 120 mg/d, Vitamin E 30 mg/d, Beta-Carotin 6 mg/d, Selen 100 mcg/d, Zink 20 mg/d) bei Personen mit einer nicht genügenden Versorgung von Antioxidantien in Form von Früchten und Gemüse ein um 31% reduziertes Krebs-Erkrankungsrisiko sowie eine um 37% erniedrigte Mortalität ergab (7). 

Ein unbeschränkt kritikloser Einsatz von Antioxidantien – so wie er in der Deklaration von Saas-Fee postuliert wurde, ist heute nicht mehr angezeigt. Freie Radikale sollten nicht als primär schädliche Moleküle betrachtet werden. Sie haben im Körper durchaus eine wichtige physiologische Bedeutung (z.B. für die Aktivierung von Makrophagen in der Entzündungsreaktion usw.). Ein Ungleichgewicht zwischen freien Radikalen und Antioxidantien sollte hingegen vermieden werden. Es ist sinnvoll, Antioxidantien vor allem bei Personen einzusetzen, deren Versorgung mit der Ernährung nicht optimal ist.

Im Zweifelsfall sind Status-Bestimmungen im Labor wichtig und empfehlenswert, um den individuellen Bedarf zu bestimmen und auch die Supplementierung zu kontrollieren. In Antioxidantien-Präparaten sollten die einzelnen Verbindungen in einer möglichst physiologischen und natürlichen Form enthalten sein. Es sollte sicher gestellt sein, dass die synergistischen Wirkungen von Antioxidantien (z.B. reduzierende Wirkung von Vitamin C auf oxidiertes Vitamin E) ausgenützt werden. In therapeutischen Dosierungen haben Antioxidantien zudem definierte pharmakologische Wirkungen.

Die von Biesalski (2) aufgezeigten methodischen Fehler und Impräzisionen bei der Auswertung, welche in Mikronährstoff-Studien häufig anzutreffen sind, sollten in zukünftigen Studien vermieden werden. Kritische Leser sollten Studien auch immer gemäß diesen Kriterien hinterfragen. 

Abschließend können wir festhalten, dass ein gezielter und gut abgewogener Einsatz von Antioxidantien nach wie vor ein gutes Nutzen-Risiko-Verhältnis zeigt. 


Literatur
  1. Bjelakovic G et al. Mortality in randomized trials of antioxidant supplements for primary and secondary prevention. JAMA 2007;297:842-857.
  2. Biesalski HK et al. Reexamination of a meta-analysis of the effect of antioxidant supplementation on mortality and health in randomized trials. Nutrients 2010;2:929-949.
  3. Omenn GS et al. Risk factors for lung cancer and for intervention effects in CARET, the Beta-Carotene and Retinol efficacy trial. J Natl Cancer Inst 1996;88(21):1550-1559.
  4. The Alpha-Tocopherol, Beta-Carotene Cancer Prevention Study Group, The effect of vitamin E and Beta-Carotene on the incidence of lung cancer and other cancers in male smokers. New Engl. J. Med 1994;330:1029-1035.
  5. Pace A et al. Vitamin E neuroprotection for cisplatin neuropathy. Neurology 2010;74(9):762-766.
  6. Block KI et al. Impact of antioxidant supple¬mentation on chemotherapeutic efficacy: A systematic review of the evidence from randomized controlled trials, Cancer Treatment Reviews 2007;33:407-418.
  7. Hercberg S et al. Incidence of cancers, ischemic cardiovascular diseases and mortality during 5-year follow-up after stopping antioxidant vitamins and mineral supplements: a postintervention follow-up in the SU.VI.MAX-Study, Int J Cancer 2010;127(8):1875-1881


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